Bullenmast

Warum mästen wir Bullen, obwohl wir doch ein Milchviehbetrieb sind?

Jeder Milchviehbetrieb produziert Fleisch. Das geht gar nicht anders. Und jeder Vegetarier tötet Nutztiere, ob er es wahrhaben will oder nicht. Denn sobald Milch oder Eier oder auch nur Schafswolle gekauft und verwendet werden, entsteht auch Fleisch. Im Grunde sollte das auch in Ordnung sein, denn anderweitig wären die Nutztiere, die keinen Nutzen mehr haben, Abfall. So aber haben sie über ihren Tod hinaus noch einen Wert und gar keinen unerheblichen: sie dienen uns als hochwertiges Lebensmittel.

Die Natur ist nicht gerecht im Sinne jedes Einzelnen. Sie ist brutal, sie ist gnadenlos, sie ist auf das große Ganze ausgelegt: auf das Gleichgewicht. Und ohne Tod gibt es kein Leben. Und wenn wir als Menschen keine Tiere töten wollen, dann dürfen wir nicht leben. Denn sobald wir leben, töten wir, ob Nutztiere, Wildtiere oder Bodenlebewesen. Das nimmt uns aber nicht unsere Verantwortung, einen respektvollen Umgang mit der Natur zu pflegen!

Was wir wieder hinbekommen müssen, ist den Bezug zur Natur wiederzufinden und ihr im Bestreben, ein gesundes Gleichgewicht herzustellen, behilflich zu sein. Nicht mehr zu nehmen, als wir wirklich brauchen und das, was wir brauchen mit Wertschätzung und Respekt zu behandeln. Ob das die Tiere sind, die Pflanzen, unser Boden, das Wasser oder die Luft, die wir atmen.

Respekt und Wertschätzung wird der Natur gerecht. Weder festgefahrene Radikalität noch totale Gleichgültigkeit, weder totaler Verzicht noch maßloser Billigwahnsinn verändern die Welt zum Positiven. Wenn jeder so viel nimmt, wie er braucht in allen Dingen, dann müssten wir auch nicht plötzlich auf alles verzichten, um unser Gewissen zu beruhigen, dann könnten wir ein gesundes Gleichgewicht erreichen und als Menschen im Kreislauf der Natur eine sinnvolle, bewahrende Rolle einnehmen. Das ist unsere Überzeugung und unsere Philosophie, die uns die Natur lehrt.

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Liroi alias das Punktentier ca 6 Wochen alt mit seiner Mutter Lilly

Warum porduziert jeder Milchviehbetrieb Fleisch?

Hauptsächlich weil eine Milchkuh jedes Jahr ein Kalb bekommen muss, um wirtschaftlich zu bleiben und nicht jedes Kalb weiblich ist. Es gibt mittlerweile gesextes Sperma, also Sperma, dass für künstliche Besamungen eingesetzt wird und bereits das Geschlecht vorherbestimmt. Wenn jedoch ein Bulle auf natürlichem Wege für Nachwuchs sorgen darf, dann sind im Durchschnitt die Hälfe der Kälber männlich. Diese Kälber werden niemals Milch geben. Sie können aber auch nicht alle Zuchtbullen werden. Also bleibt ihnen nur das Los Masttier zu sein. Und ihre Daseinsberechtigung besteht genau darin.

Die meisten Betriebe verkaufen ihre Bullenkälber im Alter von 2-4 Wochen an Mäster, um die Milch der Mutter verkaufen zu können. Manche Kälber werden sogar bis nach Südfrankreich oder in den Libanon gekarrt, um dort ein kurzes, elendiges Leben zu verbringen, wenn sie denn den Transport überhaupt überleben. Und das ist nicht nur bei konventionellen Milchviehbetrieben so, sondern bei Biobetrieben ganz genauso, denn es gibt keine Regel, die uns dazu verpflichtet, Bullenkälber nicht an konventionelle Mäster oder auf lange Transportwege zu schicken.

Für uns ist das keine Option!

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Monty ca drei Wochen alt mit seiner Mutter Milka

 Wir wollen unsere Kälber alle bei uns großziehen und uns über ein Bullenkalb genauso freuen, wie über ein Kuhkalb.

Wir wollen der Mutter eines Bullen genauso das Recht zugestehen Mutter sein zu dürfen, denn für die Kuh macht es in ihrer Mutterliebe keinen Unterschied, ob sie ein Mädchen oder einen Jungen bekommt.

Es ist ein teures Unterfangen, denn natürlich fehlt diese Milch, die wir in die Bullenkälber stecken dann im Milchtank. Und irgendwo und irgendwann müssen diese Unkosten wieder gedeckt werden, sonst bedeutet es unseren Ruin und damit ist keinem unserer Tiere geholfen.

Die Bullen als Absetzer mit sechs bis neun Monaten zu verkaufen ist für uns ebenfalls keine Option, da wir den Preis für die Aufzucht vom Markt nicht erhalten und sie im Alter von neun bis zwölf Monaten als Kalbsfleisch zu schlachten, schaffen wir aus emotionalen Gründen nicht: sie sind ja doch irgendwie noch „Babies“.

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Any 20 Monate alt

Also mästen wir sie bis zur gängigen Schlachtreife.

Diese ist üblicherweise mit 24 Monaten erreicht, zumindest verlangen das die Schlachthöfe. In der Direktvermarktung und durch unseren Schlachter, der für Tiere über 24 Monate keine Abzüge verbucht, können unsere Bullen auch mal bis zu 30 Monate alt werden. Die Qualität wird dadurch nicht schlechter, aber durch die extensive Bio-Mast brauchen die Bullen schon ein paar Monate länger, bis sie ein rentables Gewicht erreicht haben. Dann sind sie komplett ausgewachsen. Die artgerechte und wesensgemäße Haltung wird dann zu einer echten Herausforderung. Mit ca 600kg Lebendgewicht, ordentlichen Hörnern ausgestattet und Hormonschwankungen unterworfen, sind sie im Umgang vor allem untereinander keine Kuscheltiere mehr. Auch wenn es uns bei jedem einzelnen Tier immer wieder schwer fällt über sein Ende entscheiden zu müssen: in dem Alter können wir damit etwas besser leben, denn sie machen es uns mit ihrem oftmals auch agressiven Verhalten leichter. Und wir wissen, dass sie bis dahin ein gutes, wertgeschätztes Leben gehabt haben, ihr Urvertrauen durch den Schutz der Mutter in ihrer Kindheit erhalten geblieben ist, sie Sommer, Sonne, Wind und Wetter kennenelernt haben und sie  weder Angst noch Stress kennenlernen mussten. Etwas, dass auch bis zu ihrem entgültigen Ende so bleibt. Dafür sorgen wir.

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Jungbullen beim Anweiden im Frühjahr

Unsere Bullen wachsen genauso auf wie die Mädchen.

Nach dem Absetzen mit ca sechs bis neun Monaten je nach Verhalten in der Herde (wenn sie nur noch auf den Kühen rumhüpfen, statt zu saufen…) trennen wir sie von der weiblichen Nachzucht und sie ziehen auf unseren Pachtbetrieb in unser „Männerkloster“ um. Dort leben sie mit allen Bullen bis sie ausgewachsen sind in einer großen ca 50 Kopf starken Gruppe zusammen. Angeführt von einem souveränen älteren Bullen. Im Winter bleiben sie im großen Strohstall zusammen. Im Sommer öffnen wir das große Tor und sie können 10ha Sommerweide in Offenstallhaltung genießen. Unser persönlicher Wilder Westen!

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Wenn der Tag gekommen ist, an dem wir sie zum Schlachter bringen müssen, verladen wir sie selbst auf unseren Viehwagen und bringen sie zu unserem Dorfschlachter nach Lügde. Sie gehen problemlos auf den Wagen, da sie es schon kennen gefahren zu werden. Der Transport bedeutet keinen Stress für sie. Auch der kleine Schlachtbetrieb arbeitet stressfrei und anständig. Er nimmt uns auch die Bullen ab, die wir nicht in Direktvermarktung verkaufen können, so dass wir in den meisten Fällen zwei Bullen gleichzeitig wegbringen, damit sie bis zum Schluss einen Kumpel an der Seite haben.

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Es fällt uns jedesmal aufs Neue schwer. Es ist keine einfache Aufgabe über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Wir tun das ganz und gar nicht gerne. Wir tun es aus Verantwortung allen anderen Tieren gegenüber. Wie unser Jüngster mal sagte: wir schlachten die Bullen, damit ein neuer Bulle auf die Welt kommen kann und genug Platz und Futter hat. Es ist der Kreislauf, zu dem wir verpflichtet sind, um unseren Tieren ein gutes Leben ermöglichen zu können. Würden wir uns dieser Verantwortung entziehen, würde die Nutztierhaltung deshalb nicht aufhören, aber es gäbe einen Betrieb weniger auf dem die Tiere artgerecht und mit Wertschätzung gehalten werden würden. Wir sind es unseren Tieren schuldig.

Kälberpatenschaften

Philosophie

Unsere aufwendige Bullenaufzucht rechnet sich, wenn wir die Bullen später in Direktvermarktung verkaufen können. Im Moment sind das ein bis zwei Bullen pro Monat. Das ist schon ganz gut, aber es reicht nicht, denn auf unserem Betrieb werden jeden Monat 3 bis 4 Bullen geboren. Zeitweise auch mehr, wie seit ca einem Jahr, in dem fast nur noch Bullen zur Welt kamen. Jeder Bulle, den wir zu gängigen Schlachtpreisen an unseren Schlachter verkaufen müssen, ist ein Verlust. Wir sind zwar froh, dass er sie nimmt, weil wir sie dann nicht dem Viehhändler mitgeben müssen und sie das gleiche Ende, wie auch die anderen stressfrei und ohne Angst erleben, aber er kann uns auch nur den marktüblichen Preis bezahlen und der deckt die Kosten nicht. Da wir auch mit dem Milchverkauf die Bullenaufzucht nicht kompensieren können, hat uns unser Finanzberater dringlichst davon abgeraten alle Bullen großzuziehen, um unseren Hof nicht zu riskieren, denn damit ist am Ende keinem Tier von uns geholfen.

Trotzdem wollen wir das nicht. Deshalb haben wir das Angebot angenommen Kälberpatenschaften zu vergeben. Damit können Menschen mit Herz für unsere kleinen Bullen, uns darin unterstützen, jedem Kalb das gleiche Recht zuzugestehen: bei uns und seiner eigenen Mutter groß werden zu dürfen.